thierrymoosbrugger

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„Gott parle-t-elle dytsch“ – 3x Pfingsten

Die „Kirchen im Rheinknie“ (KiRk) haben sich mitten im Lörracher Markt getroffen. Im Gewusel der Möglichkeiten habe ich drei Workshops ausgesucht, und jeder hatte „Pfingsten“ für mich parat. Persönliche Momente zum Aufbewahren.

Die Sprache von heute reden dürfen.können.müssen

In einem kleinen Kreis teilen wir die alte Pfingstgeschichte nach den noch recht jungen Regeln des „Bibliolog“.
Wieder wird mir bewusst, wieso die Jünger Jesu als „betrunken“ verspottet wurden. Sie haben es gewagt, die biblischen Texte nicht auf hebräisch vorzulesen und auszulegen, sondern in der Sprache, die alle verstanden. Nämlich in der Weltsprache griechisch. Das war ein Sakrileg. Denn auch wenn Jerusalem voller Pilger aus den verschiedensten Ländern waren – die liturgische Sprache musste weiter den Vorschriften folgen. Ob die Menschen das verstanden oder nicht, war deren Problem.

Und drum wurde aus Pfingsten der „Geburtstag der Kirche“. Die Jünger redeten so, wie die Menschen im Alltag redeten. Das war gleichzeitig „unerhört“ und massiv verständlich.
Die Brücke zu heute ist leicht zu sehen: Wer redet, wie den Menschen der Schnabel gewachsen ist, redet ihnen nicht nach dem Mund, sondern ist ganz nahe dran an der biblischen Tradition.

Gott, diese alte Frau

In einem überfüllten Raum höre ich die Geschichte von Gott als einer alten Frau, die am Küchentisch sitzt und lächelnd im Fotoalbum der Menschheit blättert.
Die Geschichte wird liebevoll erzählt, und das Erzählen strahlt Wärme aus.

Gott als alte Frau… und meine Gedanken bekommen Flügel… Gott als junge, attraktive Medizin-Studentin. Gott als Mutter, erschöpft nach einem Tag mit ihren drei Kindern. Gott als Business-Woman, und Gott als rundliche Bauchtänzerin. Alles passt. Alles ist der Schöpferin würdig, die mehr ist als Geschlecht und Gender.

Die Dynamik des Übersetzens

Wer übersetzt, interpretiert. Im Workshop zu verschiedenen Bibelübersetzungen wurde wunderbar deutlich, welche Dynamik in diesem Grundsatz liegt.

Man kann gar nicht nicht interpretieren, wenn man „übersetzt“. Jede Sprache funktioniert anders, ist eingebunden in ihre Kultur und in ihr Zeitalter. Die biblischen Geschichten „funktionieren“ gerade deshalb seit Jahrtausenden, weil sie so offen sind, dass sie in den unterschiedlichen Zeiten und Kulturen neu gelesen werden können.

Darum ist es ok, wenn aus dem „Theophilus“, an den der Evangelist Lukas seinen Bericht schreibt, in einer Übersetzung „Gottesfreundin“ wird, so dass alle Leserinnen angesprochen werden. In einem anderen Kontext kann es dann wieder wichtig sein, dass Lukas sein Evangelium an einen speziellen Menschen geschrieben hat, und dann ist es auch richtig, den „Gottesfreund“ wieder beim Namen zu nennen.

Ein Beispiel fand ich besonders schön: Im 34. Kapitel vom Buch Exodus heisst es:

„Ich erweise Güte über Tausende von Generationen hin, ich vergebe Schuld, Verfehlung und Auflehnung; und ich lasse auch nicht alles unbemerkt hingehen. Wenn sich jemand gegen mich wendet, dann greife ich zu seinen Gunsten bei seinen Kindern und Enkeln bis in die dritte und vierte Generation ein.“ (Ex 34,7)

Traditionellerweise wird „zu Gunsten von jemandem eingreifen“ hier mit „bestrafen“ übersetzt. Damit wird die Macht von unguten Strukturen über Generationen hinweg betont, was die moderne Psychologie ja durchaus bestätigt.
Das Verb jedoch ist dasselbe wie dort, wo Gott zur alten Sarah kommt und sich darum kümmert, dass sie auch in ihrem hohen Alter noch schwanger wird. Also nichts mit Strafe. Das Verb meint hier wie dort „sich jemandem annehmen“ oder „sich kümmern um etwas/jemanden“.

Dies zeigt Gott als einen Anwalt, der neben mich und meine Kinder und Kindeskinder steht, um genau solche Strukturen zu durchbrechen und einen neuen Anfang möglich zu machen. Welch wunderbares Bild!

Also auch hier: es ist unsere Aufgabe, biblische Text in der heutigen Sprache mit den heutigen Bedürfnissen zu verstehen und weiter zu geben.
Nicht als „Früher wurde dieses und jenes gesagt: ICH ABER sage euch…“, sondern als „in der heutigen Situation lege ich euch das so aus…“

Ja, tatsächlich: Gott, elle parle in dr Sprooch de hüt.

 

„Moses“ am Basler Theater: Wie eine Vision am Leben erhalten?

mosesWas, wenn nach der Befreiung das Paradies einfach nicht kommen will? Wie soll ich Andere für eine Vision bei der Stange halten, wenn sie nicht sichtbar wird? Mit Gesetzen? Mit Autorität? Mit Gewalt? „Moses“ im Basler Theater wirft diese Fragen auf, sperrig und kantig wie der Bühnen-Schrottplatz.
Allerdings in permanenter Gefahr, unter dem seichten Alltagsmüll von Gags und Stil-Crossover begraben zu werden.

Die grossen „archaischen Grundkonflikte“ möchte Regisseur Simon Solberg zeigen, sagt er im Interview mit der Tageswoche. Wie kommt ein Revolutionär mit der Bürde klar, wenn er ein Volk aus (unfreien, aber) geordneten Verhältnissen in die Ungewissheit führt? Wenn quasi Gottes Wahlversprechen (das Land, in dem Milch und Honig fliesst) auf sich warten lassen?

Das sind universelle Fragen, zeitlos aktuell. Solberg zeigt Moses, wie er überhaupt nicht zum Helden werden will. Wie er überhaupt keine Lust hat, dass er dem jetzigen Pharao Plage um Plage androhen muss. Wir sehen, wie Moses seine (ist das wirklich seine?) Vision des befreiten Volkes immer wieder in sich bekräftigen muss. Wie der Pharao Mose in Versuchung bingt, er solle sich doch politisch engagieren für sein Volk, statt mit ihm auszuziehen.

Im Sandwich

Moses leidet wie sein Volk unter dem nicht enden wollenden Marsch durch die Wüste, leidet unter dem Versprechen, das er weiter gegeben hat und das noch so fern ist; Moses versucht einen Rahmen zu schaffen „to keep the dream alive“ (die 10 Gebote), und er wird immer müder und immer härter in der Sandwich-Position zwischen hungerndem Volk und ausbleibendem Ankommen am Ziel.

Bis er es nicht mehr aushält. Bis er dem Volk die Erlaubnis zur Gewalt an anderen Völkern gibt – und genau dafür wird Moses flugs maximal bestraft. Diesem Moses zu folgen, das ist spannend, das bewegt.

Gagismus als Versteck

Diese Moses-Geschichte, die passt auch durchaus auf den Schrottplatz der Inszenierung, sei es nun die Müllhalde der Geschichte oder der Schrottplatz unserer Gesellschaft. Da passt es durchaus, dass die Requisiten aus dem Müllhaufen gezogen werden: ein Lüftungsschlauch als Pharaonen-Schmuck, oder ein Autofelgen als Trauring. Passt.
Nur scheint es, dass Regisseur Solberg zunehmend Angst vor dem eigenen Mut bekommen hat und seiner Geschichte, die er erzählen will, eben doch nicht ganz über den Weg traut.
Um dieser Angst zu begegnen, wählt er die Mittel des Clowns. Zum Beispiel, sich der 10 Gebote für „gaaanz modeeernes Theaaaater“ zu bedienen. Zum Beispiel:
– Bringe alle zwanzig Sekunden einen neuen Gag.
– Zeig wenigstens einmal ein kopulierendes Paar und einen nackten Männer-Arsch.
– Zeige wenigstens einmal die Logos von Firmen-Multis in einem unmoralisch-kapitalistischen Zusammenhang, aber nur kurz.

So entsteht ein pausenloser Gag-Aktivismus, der mit der Zeit ermüdet und sich ins Gegenteil von Humor verkehrt. Letztlich entsteht der Eindruck, Solberg versteckt sich hinter diesem Brimborium, um das Publikum bei der Stange zu halten, weil er ihm die eigentliche Geschichte nicht zutraut.

München ist nicht Basel

Das beginnt schon beim Titel „Moses – ein mash-up Musical“. Solberg scheint dem Titel „Moses“ alleine nicht zu trauen und versieht ihn mit einem Begriff, der für jede erdenkliche Umsetzung als Entschuldigung dient, und mit einem Genre, das immer gut tönt. Nur: die Song-Schnipsel aus dem Musik-Haufen der Pop-Historie sind nie mehr als willkürliche Deko-Accessoires, immer unwesentlich für den Gang des Bühnenstücks, nur Teil der Gag-Staffage.

Solberg erzählt im Tages-Woche-Interview, die Begeisterung in der CSU-Hochburg München sei gross gewesen, auch und gerade in Kirchenkreisen. Nur, Herr Solberg, möchte ich sagen, wir sind hier nicht in Bayern. Basel bzw. die Schweiz ist doch einige Schritte weiter, hier hätten sie dem Publikum durchaus mehr von Ihrem Inhalt zumuten dürfen (wofür die mediokren Zuschauerzahlen in Basel ein Indiz sein könnten).

Gott als kiffender Penner, um zu zeigen, dass Gott dort ist, wo mensch ihn nicht erwartet: das mag in München vielleicht funktionieren, hier ist es banal geworden, um nicht zu sagen abgelutscht. Provokanter wäre hier ein Gott als Investment-Banker im Nadelstreifen-Anzug. Wenn schon.

Dein Gott ist ein böser Gott

Starke Theater-Momente gibt es trotzdem. Wenn Moses seinem Jugendfreund und Pharao all die Plagen androht, antwortet der leicht irritiert: „Dein Gott ist ein böser Gott.“ Er bringt damit ein Grundproblem des Ersten Testaments auf den Punkt, und Moses kann ihm prompt keine Antwort gebe.

Auch wie Solberg Moses‘ Sprache inszeniert, überzeugt: wenn er von der Vision der Befreiung gepackt ist, rappt er wie ein Grosser des Hip-Hop. Hingegen braucht er Aaron, um die Vision seinem Volk klar zu machen. Und wenn Mose verzweifelt ist und nicht mehr weiter weiss, zitiert er leise flehend Psalmen.
Es ist deutlich: wo Solberg Mose als Figur zeichnet, tut er das klug, vielschichtig und bewegend.
Schade, hat der Rest nicht ebenso vom Können des Regisseurs profitiert.

Anregung hinter der Gag-Kulisse

Nun: Soll mensch sich das anschauen?
Viele der „mash-up“-Szenen sind Ideen, die sich bei einem Glas Wein trefflich diskutieren lassen, auch wenn oder gerade weil sie nicht fertig gedacht sind: das Goldene Kalb als Love-Mobile zu Streetparade-Sound (und natürlich Techno als „natürlicher“ Feind von Hip-Hop), das merkwürdige Abtauchen von Mose zum Schluss, die Verfremdung der Dornbusch-Szene, wie die Hebräer die Plagen miterleben – und der Schluss. Der endet mit dem Appell an die Eigenverantwortung der Hebräer, jetzt, da der Führer Mose nicht mehr ist. Ein Appell ohne Saft und Kraft, wie eine Durchhalteparole bei einem Fussballverein vor dem sicheren Abstieg.
Und so bleibt die Frage im Theater offen: wie halten wir eine Vision am Leben? Die Bibel beantwortet die Frage anders, und beiderorts lohnt es sich, darüber zu diskutieren.

Deshalb empfehle ich:
wer sich den Blick auf das Wesentliche nicht durch Lärm und Gag-Brimborium benebeln lässt und gerne weiterdenkt, dem sei „Moses“ herzlich empfohlen.
Wen Krach und pausenloses Crossover auf allen Ebenen abschreckt – dann lieber die gute ARD-DVD „Moses“ mit Ben Kingsley von 1995.

In beiden Fällen gilt: „Moses“ macht Lust, Moses in der Bibel (wieder) zu entdecken.

Thierry Moosbrugger

gott bricht unsere regeln. sollten wir uns vorbereiten?

Revolt gross Text

Die Künstlerin Anne Jablonowski bringt es auf den Punkt.
Ihr bild/text bildete schlussendlich das „Dach“ für die Advents-Predigt
über Johannes den Täufer, über den Advent,
und über Regelbrüche durch die allerhöchste Stelle.
…auf Dialekt natürlich…

121209 vorbereiten predigt