thierrymoosbrugger

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Archiv für den Monat Februar 2013

kirchen, messen und exit

Interessant sind sie, die provozierenden Fragen. Und wenn die Journalisten nicht zuhören, sondern einfach ihre Vorurteile durchsetzen wollen?
Lächeln und den Steilpass annehmen 🙂
Denn wie gesagt: uns bringt keine Nachbarschaft um unsere gute Energie…

Hier gehts zum clip:

http://www.telebasel.ch/de/tv-archiv/&id=366819932

 

Higgs!Higgs!Hurra! oder „Halleluja Urknall“?

Die Junteressli nahmen sich ein grosses Thema vor: das Higgs-Teilchen und die Religionen. Wie bringen sie das auf die Fasnachts-Strassen? Was spielt bei so einem Ansinnen alles mit? Was liegt für uns als Kirche darin für Potenzial?…und das alles ist fast so komplex wie ein Teilchenbeschleuniger im CERN…

40 Sekunden

1302ju240 Sekunden hat mensch Zeit, um die Aussage einer Clique zu begreifen, wenn sie am Cortège vorbeizieht.
Als interessierter Zuschauer erlebte ich die 40 Sekunden so: Zuerst kommen katholische Mönche (Franziskaner, der braunen Kutte nach) und verteilen aus Bibeln heraus den „Zeedel“.
Ein Blick auf das Sujet muss reichen, zum Lesen habe ich jetzt natürlich keine Zeit. Denn schon bannt mich die Laterne: In leuchtenden Farben werden da ein Mann und eine Frau aus einem Zentrum geschleudert – das muss wohl der Urknall sein. Eine Prachtslaterne! Hintendrauf: Ein überdimensionaler Jesus, der seine Hände schützend über Kirchenleute hält – was das wohl bedeuten mag?

Schon kommen die Pfeifer – aber was stellen sie denn dar? In griechischen Togen gewandet, mit einer diagonalen blauen Schärpe, jede Figur träg ein Transparent mit „Entschuldigung!“ drauf. Es müssen Priester sein, schliesse ich. Der Tambourmajor ist unverkennbar Papst Benedikt, und dann nochmals diese merkwürdigen griechischen Priester – und schon ist der Zug vorbei, gefolgt von einer schränzenden Guggenmusik.

Zurück bleiben erst mal viele Fragezeichen. Was war das?

Der Fasnachts(falsch)führer

1302ju1Ok, denke ich. Es gibt ja noch den Zeedel und den Fasnachtsführer „Rädäbäng“, in dem jede Clique ihr Sujet beschreibt. Ich starte mit dem Rädäbäng. Die Laternenhinterseite stelle den dar, den es „gar nicht geben kann“. Das Spiel sei der, der hineingeleimt worden sei, der Tambourmajor Märlitante Benedictine. – ??? – Noch mehr Fragen…. – Jesus soll es nach dem Higgs-Teil nicht mehr gegeben haben? Also der Major war nun sicher keine Frau. Und offen bleibt für mich: wer entschuldigt sich hier für was?

Der quälende „Schwarz-Zeedel“

Nächste Info-Quelle: der Zeedel. Da spricht Jesus („My Vadder het die Wält nit gschaffe“), dass die Bibel nicht entstanden wäre, hätte mensch das Higgs-Teilchen damals schon gefunden. Jesus zählt in quälender Länge das gesamte historische Sündenregister der Kirche auf (er verwechselt dabei schon mal Nero mit Herodes) und wirft ihr vor, die Menschen „2000 Joor lang yyneglyymt“ (belogen) zu haben – aha! Pfeifer und Tambouren müssen also für die Kirche stehen, also eben Priester. Jesus schliesst den Zeedel damit, dass man besser wissen als glauben solle: dies mache die Welt zum Paradies.

Leer schlucken

Als Theologe und „gerne-Katholik“ muss ich ein paar mal leer schlucken, um auf die zahllosen einzelnen Widersprüche und Unkorrektheiten nicht sofort empört zu antworten.

Im Ganzen macht mich das ratlos: Das Higgs-Teilchen, das alle Religionen betrifft, wird also eindimensional auf Katholiken- bzw Papst-Bashing reduziert. Dass der Vatikan auf diese Entdeckung im Herbst sehr entspannt und offen reagiert hat, scheint überhaupt keine Rolle zu spielen.

Das ist hartes Brot, wenn ich den Zug wirklich ernst nehmen will.
…aber… muss an der Fasnacht alles ernst gemeint sein? Oder geht es vielleicht gar nicht um die wirklichen Inhalte?

Her Obfraus Voice

1302ju3Ich möchte mehr wissen. Also führe ich ein längeres Gespräch mit der Obfrau der Junteressli, Edith Thalmann.
„Ich bin katholisch, ich zahle meine Kirchensteuern, und ich finde toll, was in meiner Pfarrei geschieht.“, beginnt sie, und es tönt für mich wie eine Entschuldigung. Das interessiert mich aber primär gar nicht. Ich frage sie, was sie mit dem Sujet aussagen wollten, und wie es dazu kam.

Die Sujets der Junteressli seien oft komplex und werden vom Publikum nicht immer verstanden, sagt Thalmann. Die Kernaussage dieses mal: „Mit dem Higgs-Teil ist offenbar bewiesen, dass Gott die Welt nicht erschaffen haben kann. Damit verlieren die religiösen Ideologien an Substanz. Nun könnten die Religionen doch die alten Auseinandersetzungen hinter sich lassen und die Menschheit in Frieden leben.“ – „Hurra!“ eben.

Die Junteressli haben eine gewählte Sujet-Kommission, welche Mitte Oktober das Sujet vorstellten. Nicht alle seien begeistert gewesen, vor allem weil das Spiel  “ 50 mal Jesus“ darstellen sollte, was für viele zu wenig Bezug zum Sujet hatte – zudem sei Jesus einmalig. Einzelne haben das Sujet dann zum Anlass genommen, eine angedachte Fasnachtspause „einzuziehen“. Die Clique hat die Kommission nach der Präsentation nochmals in Klausur geschickt, um die Umsetzung mit den „50 Jesussen“ zu überdenken, aber die Sujet-Kommission blieb bei ihrem Entscheid, weil der Zug als Ganzes so imposanter wirke.

Obwohl das Higgs-Teilchen alle Religionen betrifft, hätten die Junteressli darauf verzichet , andere Religionen einzubeziehen, sondern sich ausschliesslich auf „die eigene Religion“ konzentriert.

Sie erzählt, wie der Tambourmajor seine Papst-Figur genossen habe. Und dass sie in ihrer Ansprache am Sonntag vor der Fasnacht auf die enge Verbindung von Fasnacht und Religion hinwies. Ohne Kirche kein Ostern, ohne Ostern keine Fastenzeit, ohne Fastenzeit keine Fasnacht.

Was alles auch zur Fasnacht gehört

1302ju4Im langen Gespräch gehen mir verschiedene andere Ebenen auf, die an der Fasnacht eine Rolle spielen und die sich oft vermischen wie die Räppli auf der Strasse:

–       Es gibt ein „Fasnachts-Grundrecht“, „die da oben“ auch mal indifferenziert zu beschimpfen.
–       Für viele FasnächtlerInnen ist das Musizieren an der Fasnacht und das Schwelgen in Farben und Tönen mindestens ebenso wichtig wie das Sujet-Thema.
–       Zum Verkleiden an der Fasnacht gehört es, etwas darzustellen, das mensch im normalen Leben nicht ist. Ob nun ein Papst thematisch passt oder nicht, es ist toll, an der Fasnacht mal Papst sein zu dürfen (und das zählt auch für Affen-, Prinzessinnen- und Teufelkostüme). Ein Papst als Major scheint attraktiver als ein Higgs-Teilchen – sicher ist es einfacher umzusetzen…
–       Die persönliche Auseinandersetzung mit einem Sujet ist manchmal wichtiger als das Resultat, das detaillierte Basteln wichtiger als wie es dann aussieht.
–       In einer Clique weiss die rechte Hand nicht immer, was die linke tut, sondern mensch ist froh, wenn es überhaupt tätige Hände gibt. So gibts dann halt auch mal Teile, die sich gegenseitig widersprechen.

Dies alles bringt mich dazu, das zu tun, was die Junteressli auch tun: das Ganze nicht tierisch ernst zu nehmen.

Und dann kehre ich wieder zum Ursprung zurück. Was bedeuten die Bilder, welche die Junteressli dem Zuschauer präsentieren, für uns als (katholische) Kirche?

Die Macht der Bilder

Und hier sind wir wieder beim Erscheinungsbild. Was sagen uns als Kirche die Bilder, die in 40 Sekunden an uns vorbeiziehen?

Wir sind „die“ Religion

Aufs Trefflichste spiegelt der Junteressli-Zug die verquere Gleichung: Religion = Katholisch = Papst. Sobald von „Religion und Kirche“ die Rede ist, bietet sich als Bild am einfachsten die Katholische Kirche an. Darin liegt Segen und Fluch.
Einerseits ist es der katholischen Kirche gelungen, ein „Corporate Design“ zu schaffen, das die Menschen sofort verstehen und erkennen. Aber es verleitet (im Guten wie im Schlechten, von innen und aussen) immer wieder dazu, daraus abzuleiten, dass eben nur die katholische Kirche „wirklich“ Kirche ist. …sowie es immer mal wieder mal Reformierte gibt, die ihren Kirchen-Austritt mit dem Papst begründen.

„Motzen“ als fasnächtliches Grundrecht

Es gehört zur Fasnacht, „die da oben“ einfach mal laut heraus zu kritisieren – und die Kirche wird offenbar weiterhin als „die da oben“ wahrgenommen, auch wenn immer wieder behauptet wird, die Kirche habe keine Bedeutung mehr. Differenzieren, das kommt dann nachher wieder, jetzt gehts einfach mal ums „ausrufen“. Und nur wer keine Bedeutung mehr hat, erntet keinen fasnächtlichen Spott und keine Schadenfreude.

Einmal Papst sein…

Die kirchlichen Figuren (Papst, Nonne, Priester, Jesus) bleiben als Kostümierungen attraktiv und bilden weiterhin verborgene Sehnsüchte ab, welche man an der Fasnacht gefahrlos ausleben kann.

Wunsch nach Schuld-Anerkennung

Das Spiel der Junteressli bildet mit den zahllosen Schildern ganz offensichtlich das Bedürfnis ab, dass die Kirche sich für ihre Fehler entschuldigen möge und sich nicht hinter historischen, theologischen oder anderen „Begründungen“ versteckt. Dieses Anliegen ist sehr verständlich, und eine Grundbedingung für eine gelingende Beziehung – weil Fehler zum Mensch-Sein gehören und Versöhnung deshalb auch. Und das Bedürfnis nach einer Entschuldigung für Missetaten zeigt ja auch den Wunsch nach einer (wiederhergestellten) Beziehung zur Kirche. Wer mir egal ist, von dem wünsche ich mir auch keine Entschuldigung.

Die Fähigkeit, eigene Grenzen und Schwächen zu erkennen, einzugestehen und damit „einzubringen“, ist ja eine eigentliche Stärke und nur oberflächlich gesehen ein drohender Machtverlust. Da hat die Kirche definitiv noch Lernbedarf (…und dass ManagerInnen und PolitikerInnen keinen Deut besser sind, darf da nicht als Trost dienen).

Zuletzt: Spieglein, Spieglein an der Wand…

Der Junteressli-Zug zeigt uns die grosse Macht der jahrhundertealten Bilder, welche die Kirche geprägt hat. Sie sind so stark, dass sie viele konkrete Inhalte überformen, ja verzerren.

Das zeigt für mich: wenn wir neue Inhalte wollen, dann braucht es starke Bilder dazu, welche die Menschen mit dem Bauch verstehen. Hier muss die Kirche vertieft arbeiten.

Alte Kirchenmacht darstellen, das haben wir gesehen, das funktioniert einfach und gut.
Und was für Bilder finden wir für eine Kirche, welche zu den Menschen hingeht und sie dort abholt, wo sie leben und wie sie glauben?

Spannende Frage…

Wir sind Fasnacht (Teil 3) – Kirche und Kultur Hand in Hand

Im dritten Teil unseres kirchlichen Fasnachts-Umblicks kommt die Basler Don Bosco und leerstehene Kirchen in den Blick. Wir entdecken die enge Verbindung von Religion und Fasnachts-Humor und realisieren die enge Verknüpfung von Fasnacht und Fastenzeit.

Don Bosco: Nikotin statt Weihrauch?

Don Bosco: Nikotin statt Weihrauch?

„Dr Letscht löscht s Liecht“?

„Was machsch mit lääre Kirche?“ Dass Kirchen mit leeren Kirchen kämpfen, ist für zwei Cliquen Anlass für ein Sujet.
Die Muschgetnüssli benennen ihre Laterne nach der leer stehenden „Don Bosco“-Kirche und sagen „dr Letscht Löscht s Liecht“; sie bedauern ganz offenbar die lebendige Pfarrei-Geschichte, welche damit zu Ende geht.
Dieser Verlust dient ihnen aber nur als „Einführung“, um vom Heiligen Don Bosco auf einen anderen „Basler Heiligen“ überzuschwenken, der sich als „Santo Fumare“ für die Rechte der Raucher einsetzt und die Kirche als Fumoir benutzen könnte – quasi Nikotin- statt Weihrauch.

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Leere Kirchen: Ratlosigkeit allüberall.

Die alte Garde der Schnooggekerzli widmet sich dann ganz dem Thema Kirchenumnutzung:
Sie verortet die Gründe für leere Kirchen in der Vielfalt der Möglichkeiten, nach seiner Façon glauben zu können, wie eine Laternenseite zeigt, und lässt einen verzweifelten Pfarrer auf seiner Kanzel fragen: „Simmer nit e bitzli dumm, ganz ohni Evangelium?“
Das „Spil“ (also Pfeifer, Major und Tambouren) kommt als verschiedene (traurige) Münster-Figuren daher. Die Clique meint dazu, dass die Figuren „wie d Kirche nümm so rächt in die hütigi Zyt passe“.

Wohin gehen?

Wohin gehen?

Im Vakuum von „nicht mehr“ und „noch nicht“

Das Alte passt nicht mehr, das Vakuum hinterlässt Unwohlsein, Antworten scheinen keine da… – der Zug zeigt sehr schön die Misère, wie sie von aussen vielerorts wahr genommen wird.
Interessant dabei ist weiterhin: Einerseits wird gerade von aussen seit Jahrzehnten gefordert, dass Kirche nicht primär im Gottesdienst „passiert“. Die Kirche hat gerade dies geradezu vorbildlich umgesetzt und funktioniert heute als „Sauerteig in der Gesellschaft“ auf tausend Arten – allerdings ohne dass dies von der breiten Öffentlichkeit wahr genommen wird (vielleicht fehlen dazu die symbolträchtigen Bilder?).

"Simmer nit e bitzli dumm, so ohni Evangelium?"

„Simmer nit e bitzli dumm, so ohni Evangelium?“

Ausverkaufsstimmung?

Ausverkaufsstimmung?

Sonderangebot?

Sonderangebot?

Und weiterhin sitzt die falsche Gleichung „leere Kirchen = leere Kirche“ in den Köpfen der Gesellschaft wie Schimmel in den Ritzen eines alten Brotkorbes. Hier ist weiter vertieftes Nachdenken gefragt, um zu einer neuen „Gleichung“ zu kommen.

Ansammlung von klassischem Fasnachts-Cross-Over-Humor...

Ansammlung von klassischem Fasnachts-Cross-Over-Humor…

Maria als Schutzbefohlene der Schnecken?

Maria als Schutzbefohlene der Schnecken?

Christliche Werte im humoristischen Unterbewusstsein.

Religiöse Bilder werden an der Fasnacht immer auch wieder eingesetzt, um ganz andere Botschaften verständlich zu machen – was zeigt, wie fest das christliche Glaubensgut im „Werte-Archiv“ der Gesellschaft verankert ist. Zwei Laternen als Beispiel:

1302-heilig1Am Margarethenhügel sollte eine sehr sinnvolle Tramstrecke gebaut werden. Doch weil da eine seltene Schneckenart wohnt, erscheint Maria höchstpersönlich auf der Laterne, die sich den Schnecken annimmt und deren Schutz auf quasi-religiöses Niveau hebt. Und tatsächlich: die Tramstrecke muss den Schnecken weichen. Ähnlich erhält ein Basler Regierungsrat einen Heiligenschein, um zu zeigen, wie er sich für ein Basler Quartier einsetzt.

1302-skli1Noch mehr verwebt sich Humor und religiöse Kultur in vielen Miniaturen auf Laternen. Sei es ein im Grunde sackfrecher Vers über menschliche Grundbedürfnisse, welche aber in liebevolle Worte gekleidet schon fast zärtlich daherkommen, oder dann in den Wortwitzen der Schnooggekerzli-Laterne, welche immer mindestens zweimal übers Kreuz gedacht sind.

1302-skli3Die einzelnen Witze brauchen keine Erklärung, aber sie zeigen, dass die religiöse Kultur weiterhin eng mit der Alltagskultur verwoben ist.

Das Vorspiel zur Fastenzeit

Die Fasnacht bietet der Kirche ein schönes Spiegelbild, wie sie wahr genommen wird. Vieles ist verzerrt, überzeichnet, vereinfacht, manchmal von falschen Vorurteilen geprägt. Immer aber ist sie ein Angebot, genauer hinzusehen, über die eigenen Unzulänglichkeiten zu lachen, und genauer zu fragen, wieso uns das eine oder andere trifft oder ärgert.

Sackfreches Bild mit liebevoller Sprache humoristisch aufgewertet.

Sackfreches Bild mit liebevoller Sprache humoristisch aufgewertet.

Die Fasnacht ist grundsätzlich eine Einladung, die Haltung zu kultivieren, sich nicht tierisch ernst zu nehmen. Damit bereitet sie im Grunde perfekt auf die Fastenzeit vor.

Denn wenn die Fasnacht die „äussere Freiheit, alles sagen zu dürfen“ zelebriert, so legt sie damit den roten Teppich für die Fastenzeit aus, welche von innen heraus diese Freiheit sucht, sich aufs Wesentliche zu besinnen, in der Gabe, sich nicht tierisch ernst zu nehmen, und im Wissen, dass wir alle zu Asche werden.

Damit ergibt sich ein erstaunlicher Schluss: eigentlich sind diese Regionen am nähesten bei der Fastenzeit, welche mit der Fasnacht als ihr Vorlauf aussen und innen verbinden – weil wahre Ernsthaftigkeit nur dort wächst, wo sie von Humor geerdet ist.

Im letzten Teil schauen wir und den Zug der „Junteressli“ an, die mit „Higgs! Higgs! Hurra!“ ein grundsätzliches Thema der Religion ausspielen, was cliquen-intern nicht ohne Reibereien abging.

Wir sind Fasnacht (Teil 2): Paparätschi – wer erhält hier Schimpfis?

Im zweiten Teil des Fasnachts-Kirchen-Rückblicks schauen wir auf die eine grosse Umsetzung eines Kirchen-Themas: die Vatileaks-Affäre hat die Sans-Gêne-Clique zum vieldeutigen Sujet „Paparätschi“ inspiriert. Was steckt da dahinter?

Die Sans-Gêne-Laterne vorne.

Die Sans-Gêne-Laterne vorne.

Das Wort-Spiel im Sujet-Titel hat bereits mehrere interessante Ebenen, die sich vermischen: Da ist die sensationslüsterne Öffentlichkeit (Paparazzi), die dem Papst gegenüber steht, und sein „Kosename“ (Papa). UND das wird mit einem Kinderwort kombiniert (ein „Rätschi“ ist eine „Petze“), mit dem Eltern ihre Kinder massregeln; damit stellt sich der Titel grundsätzlich auf die Seite des Papstes, was doch überrascht.

Grimmiges Schwarz-Weiss

Die Pfeifer und Tambouren hingegen, als grimmige Kardinäle comic-mässig karikiert, zeichnen (sogar wörtlich) das übliche schwarz-weiss-Bild, das den Vatikan mit üblen Machenschaften verbindet.

Die Sans-Gêne-Laterne hinten.

Die Sans-Gêne-Laterne hinten.

Die Mehrbödigkeit erscheint bei den Prunkstücken des Zuges, bei der Laterne und beim Tambourmajor. Der Major stellt den Papst als überdimensionalen tropfenden Hahnen dar. Der steht einerseits für das Vatileak-Leck, „nicht ganz dicht“ enthält aber auch die mögliche Assoziation auf das Alter und die Haltung des Papstes.

Die verschiedenen Ebenen werden nicht ausgedeutet. So bleibt der Tambourmajor als Ganzes schillernd, mächtig und bedeutungsvoll, ohne zu verletzen.

Sans-Gêne-Pfeifer: "die Krähen" (Foto: fasnacht.ch)

Sans-Gêne-Pfeifer: „die Krähen“ (Foto: fasnacht.ch)

S/W contra schillernde Symbole

Ähnlich verhält sich die Laterne: Die Vorderseite zeigt ein schwarz-weisses Papst-Portrait im Stempel-Stil (mit aktuellem „Überschrifts“-Schild), das zuerst keine Aussage zu machen scheint. Erst unten links stösst man auf einen farbigen Ecken, in dem ein teuflischer Kardinal als Marionetten-Puppe vom Papst geführt wird – und erst auf den zweiten Blick sieht man, dass dieser Kardinal eine Frau an der Hand nimmt. Vom kleinen Ecken aus wird also die gesamte Situation als verlogen und unmoralisch kennzeichnet.

Die Rückseite spielt mit den Bedeutungsebenen wie die Figur des Majors: der Papst hält eine zerborstene Kloschüssel in die Höhe. Sie steht für das Info-Leck von übelriechenden Informationen. Aber „e Sprung in dr Schüssle“, das heisst eben auch „einen Ecken ab“ haben, „ver-rückt“ sein und deutet darauf hin, wie der Künstler die gesamte Situation im Vatikan beurteilt.

Sans-Gêne-Major und Tambouren (foto: fasnacht.ch)

Sans-Gêne-Major und Tambouren (foto: fasnacht.ch)

Wie beim Major ist auch dieser Symbol-Gegenständ aus dem „Klo-Bereich“, trägt Respektlosigkeit in sich, aber durch die Vieldeutigkeit bleibt auch die Laternenrückseite schillernd, und man kann ihr nicht direkt vorwerfen, den Papst verletzen zu wollen.

Eine Minute für die Message

Als ganzes verbreitet der Zug grimmig-kalte Atmsphäre – so wird die Energie, die vom Vatikan ausgeht, von den Sans-Gêne offenbar wahr genommen. Und in dieser Grundstimmung hat der tropfende (Informations-)Hahnen das einzig Lebendige an sich, das einen lachen lässt.

Und so muss man konstatieren: Die Vieldeutigkeit geht im vatikanischen Grimm beinahe unter; Sympathie-Träger mitten in dieser unsympathischen Welt ist überraschenderweise der „tropfende Papst-Major“ – dessen unsympatische Seite auf der Laterne wird im Spiel quasi „aufgelöst“ und von Mitleid abgelöst.

Als Ganzes bleibt die Vielschichtigkeit der Gefühle gegenüber dem Papst erhalten und der Papst bleibt zwischen Opfer- und Täterschaft schillernd und zwiespältig.
Immer ist zu bedenken: eine Clique hat etwa eine Minute Zeit, während der das Publikum die verschiedenen Bilder „lesen“ kann (vom ersten Vorträbler über die Laterne bis zum letzten Trommler) – Vor diesem Hintergrund sind es immer die grossen Bilder und nicht die feinen Details, welche die „Message“ vermitteln.

Im nächsten Teil werfen wir einen Blick auf die Kirchen-Umnutzung und auf die Verwurzelung von religiösen Bildern und Fasnachts-Humor.

Wir sind Fasnacht – und lachen über uns selber (Teil 1)

Vati-Leaks - was für ein grandioser Major!

Vati-Leaks – was für ein grandioser Major!

Ich gebe es zu: als Fasnächtler nutze ich jede der 72 Stunden so intensiv wie es nur geht – und erst danach setze ich mich hin und schreibe, was ich alles zum Thema Kirche und Religion gesehen habe.
Die KIPA hat aber bereits mal live über die Schnitzelbänke berichtet (von denen ich selber ja kaum etwas mitbekomme) – der Journalist hat sie sich angehört, deshalb ist das „kreative Baseldeutsch“ auch sekundär 🙂 hier ist der Link dazu, und natürlich ist klar, dass Papst Benedikt den Schnitzelbänklern eine Steilvorlage gegeben und auch ihre kurzfristige Kreativität herausgefordert hat!

Eine Tour d’Horizon bei den Cliquen zeigt verschiedenes: als Sujet wurde die Kirche selten ausgespielt, aber zweimal in Grossformat, also von grossen Cliquen: Die Sans-Gêne (was für ein toller Cliquenname übrigens!) behandelte mit „Papa-Rätschi“ die Vati-Leaks-Affäre, und die Junteressli gehen mit „Higgs! Higgs! Hurra!“ ein ganz grundsätzliches Thema an.

Daneben überraschen zwei kleinere Cliquen mit dem in Basel top-aktuellen Thema „Kirchen-Umnutzung“ (Don Bosco im Breitequartier).
Interessant ist einmal mehr, dass auch da, wo es nicht zwingend ist, „Kirche“ immer als „katholische Kirche“ dargestellt wird. Die reformierten Kirche scheinen keine Bilder zur Verfügung zu stellen, welche man karikieren kann. So ist die katholische Kirche zwar immer viel mehr im Kritik-Sperrfeuer der Fasnächtler als die reformierte Kirche. Anderseits wird die katholische Kirche eben auch viel stärker als prägende Institution wahr genommen.

Auffällig auch, wie religiöse Bilder (zB Maria oder ein Heiligenschein) immer wieder dazu benützt werden, um eine moralische Kategorie eines anderen Themas zu illustrieren.

Der Urknall vertreibt Adam und Eva aus dem theologischen Paradies...

Der Urknall vertreibt Adam und Eva aus dem theologischen Paradies…

…und hier hört der Wort-Teil auf: die Fasnacht lebt von Bildern, und die kommen, so bald es die nötige Erholungsphase des übernächtigten Fasnächtlers zulässt.

Also im Fortsetzungs-Blog in den nächsten Tagen.

Und dann möchte ich das Sujet „Higgs! Higgs! Hurra!“ der Junteressli ein bisschen genauer anschauen….

Möge sie recht haben…

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Kritiker sind lieber römisch-katholisch als eine Sekte…

Wer den Papst engagiert kritisiert, zeigt: ihm oder ihr liegt etwas an der römisch-katholischen Kirche und an den Menschen. Sonst verkommt sie zu einer Sekte.

Die BaZ (B stand mal für Basel) lässt als wichtigsten Kommentator zur Zukunft der römisch-katholischen Kirche nach Papst Benedikt den Churer(!) Info-Beauftragten schreiben.
Seine Pointe: Die katholische Kirche muss den Papstkritikern die Stirn bieten, weil Jeder, der den Papst kritisiert, gar nicht mehr katholisch ist.
…was bin ich froh, wenn dieser Schund nicht mehr in Basel gedruckt wird…
Aber beruflich muss ich die BaZ lesen und komme deshalb auch nicht umhin, dies öffentlich (als Lese

1302-richter1000

Viele Farben im Dialog ergeben ein leuchtendes Gesamtes in harmonischen Formen. So geht katholisch.

rbrief) zu kommentieren:

„Dass die BaZ den Churer Informations-Beauftragten als Kommentator zur Zukunft nach dem Papst-Rücktritts wählt, ist ein deutliches Signal.
Wer wie Guiseppe Gracia Papst-Kritiker pauschal als „reformiert“ bezeichnet, hat sich selber längst aus der vielgestaltigen Tradition der weltumspannenden römisch-katholischen Kirche verabschiedet.

Gracia lebt Lichtjahre von ihr entfernt, in einer kleinen Sekte, bei der Denken der Führerkaste vorbehalten ist.

Dass Jesus Christus und seine Botschaft in dieser Ideologie nicht vorkommt, versteht sich von selbst.
Erfreulich dagegen, wie viele Menschen mit ihrer Kritik um eine glaubwürdige römisch-katholische Kirche ringen, welche Jesus Christus nachfolgt und so den Gläubigen und allen Menschen dient.

Thierry Moosbrugger, Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit der röm.-kath. Kirche BLBS“

Selbstverständlich, lieber Bischof Felix

Thierry Moosbrugger schreibt an Bischof Felix, wieso er die Pfarrei-Initiative unterschrieben hat. Das Wort „selbstverständlich“ spielt dabei eine wichtige Rolle.

Basel, 22.1.2013

 Selbstverständlich, lieber Bischof Felix,

schreibe ich Dir in diesem offenen Brief gerne, wieso ich die Pfarrei-Initiative unterschrieben habe (offen, weil ich keine Missio vom Bistum habe und drum auch keine Antwort-Aufforderung von Dir erhielt). Bischöfliches Interesse am Dialog ist erfahrungsgemäss eben nicht selbstverständlich, und ich möchte Dir damit zeigen, dass ich deine Bereitschaft sehr schätze.

Selbstverständlich ist diese Initiative nicht auf dem Mist von Revoluzzern gewachsen, das weisst Du ja. Ich kenne Einige Pfarrer und SeelsorgerInnen, die nicht unteschrieben haben, weil ihnen die Initiative „zu wenig weit geht“. Ich erachte diese Meinung ein wenig als Ausrede, um beim Jammern bleiben zu können.

Ich habe die Initiative genau deswegen unterschrieben.
Weil sie nicht jammert. Weil sie einfach beschreibt, was ist.

Was im Umfeld der Initiative an persönlichen Geschichten in und mit der katholischen Kirche geteilt wird, treibt einem die Tränen in die Augen und macht Gänsehaut.

Da erzählt eine Legion von guten Katholiken, wie sie ihr Herzblut für diese unsere Kirche vergiessen, getrieben vom Geist Jesu, jahrelang schuftend für Glaubwürdigkeit und die Verwirklichung all der Werte, welche die katholische Kirche vertritt. Und sie alle erzählen, wie ihr Engagement immer wieder von Legalismus abgewertet wird.

Dass sich da bodenlose Gefühle auftun, von Trauer über Wut bis Abwendung oder gar Hass, finde ich menschlich und mehr als verständlich.

Das Theater Basel führt zur Zeit „Moses“ auf, und das Stück zeigt eindrücklich, was mit Menschen geschieht, wenn eine Vision des Aufbruchs in einem nicht enden wollenden Wüstenmarsch endet…

Umso mehr habe ich Respekt davor, dass es den VerfasserInnen der Initiative gelungen ist, ihren Text nicht von diesen negativen Gefühlen prägen zu lassen. Du wiederum siehst dieses Engagement der InititiantInnen für die Kirche, und das freut mich. Sehr.

Denn die Initiative zeigt noch etwas anderes auf, was beim Jammern über die ach so schlimme Gegenwart oft vergessen geht. Sie zeigt nüchtern auf, wie viel sich seit dem Konzil verändert hat. Und diese Veränderungen selber, die sind ebenfalls Legion. Wie viel Undenkbares wurde selbstverständlich!

Sicher, auch ich bin der Meinung, dass einige der grossen alten Türme so morsch geworden sind, dass sie in ihrer sichtbaren Morschheit der Kirche bereits heute grossen Schaden zufügen und dringendst der Renovation bedürfen – auch wenn es für einen Umbau der disziplinarischen Lehren über das Pflichtzölibat und die Zugangsbedingungen zum Priesteramt bereits zu spät sein könnte, und es steht zu befürchten, dass mit dem Verbröseln dieser Türme auch die „Bausubstanz“ bzw die Werte dahinter (Priesteramt, Eucharistie etc) in Staub zerfallen.

Trotzdem: das gefühlsselige Erstarren im jammernden Rückwärtsschauen in die 60-er Jahre geht an der Realität von heute komplett vorbei. Vieles von dem, was heute in der Praxis selbstverständlich ist, war vor 45 Jahren undenkbar. Und dies beschreibt der Initiativ-Text.

Hier, lieber Bischof Felix, formulierst du ein bischöfliches Problem, und das verstehe ich gut. Denn Vieles, was heute im Kirchen-Alltag geschieht, ist von deinen vatikanischen Kollegen nicht gebilligt, und nur unter dem offiziellen Vorzeichen von „Notlösungen“ scheint es überhaupt möglich, die Schweizer Selbstverständlichkeiten nicht zu beseitigen (was schlicht einer Liquidierung der katholischen Kirche Schweiz gleichkäme).

In Deinen Aufgaben suchst Du, Bischof Felix, nach der grösstmöglichen Verantwortbarkeit. Genau wie jedeR SeelsorgerIn, der/die sich in den akuten Situationen fragt „Worum geht es hier im Grunde?“ – und dementsprechend handelt. Sie tun dies treu zum Geist der Kirche – auch wenn dieser Geist der oberflächlichen disziplinarischen „Ordnung“ zu widersprechen scheint. Und getreu dem Geist der Kirche erleben sie täglich, dass ihr Tun dem Glaubensempfinden der Gemeinschaft der getauften Katholiken ihrer Gemeinde (dem „sensus fidelium“) entspricht.

Diese Selbstverständlichkeit ist aus den Alltagserfahrungen mit den getauften und gefirmten Katholiken in den Pfarreien gewachsen, dass diese „Notlösungen“ sowohl pastoral, menschlich als auch theologisch dem (heiligen, weil heilenden) Geist der Kirche entsprechen.

Das ist selbstverständlich kein „ich tu was mir gerade passt“, und das weisst Du ja auch. Da gehen immer Diskussionen und innere Kämpfe voraus, bis einE SeelsorgerIn etwas tut, das die Kirchendisziplin nicht vorsieht, aber in den jeweiligen Situationen die einzige adäquate und geistgemässe Handlungsoption im Geist der Kirche ist.

Der mE unklug verwendete Begriff des „Ungehorsam“ in der Initiative entspricht einem eigentlichen Gehorsam zur Kirche, wie sie ihrem eigenen Geist entspricht. Er mag im Ton provokativ sein, ähnlich wie man Dich, Bischof Felix, so verstehen könnte, Du unterstellst den Initianten, die Kirche nicht zu lieben und einfach zu tun, was ihnen gerade so passt.

Unter dem Strich geht es wohl gerade darum, dass sich die Initianten wünschen, als „Handelnde für den Geist der katholischen Kirche“ gewürdigt zu werden.

Hier sind wir beim Ton angelangt. Der wird auf beiden Seiten moniert und als Misstrauen interpretiert. Gemach: Wo persönliche Emotionen im Spiel sind, hat mensch selbstverständlich schneller die Tendenz, sich vom gehörten Ton ankratzen zu lassen und Formulierungen als fehlenden Respekt zu hören.

Fast zum Schluss noch ein paar Worte zu den Pastoralräumen. Das Bekenntnis zu den Orts-Pfarreien ist ja keine Ablehnung der Pastoralräume an sich. Jedoch ist leider nicht zu übersehen, dass der PEP über das Behaupten seiner pastoralen Anliegen nie hinaus gekommen ist und das Primat der Sicherstellung der traditionellen klerikalen Hierarchie alle pastoralen Themen jeweils aus dem Blickfeld drängte, was das grosse inhaltliche Engagement von zahllosen Katholiken in den Pfarreien immer wieder sabotierte und frustrierte.
In all dem wurden die Bistumsverantwortlichen immer wieder nicht als Hilfe und ohne pastorale Vision erlebt. Sorry, ich muss das so „unnett“ sagen.
Es ist sehr schade, dass die pastoralen Visionen des PEP nie die Oberhand gewinnen konnten. Aber ich vertraue auf den Geist, so dass mit der Zeit organisch pastorale Räume aus dem Boden der Pfarreien heraus wachsen werden.

Ich möchte Dir, Bischof Felix, danken für Dein Engagement für die Sorgen und Nöte der Seelsorgenden im Bistum. Wir alle lieben die Kirche, sonst würden wir uns nicht so engagiert dafür einsetzen. Selbstverständlich.

Ich freue mich darüber, dass ein Dialog mit Dir und Deinem Team möglich ist.

Lassen wir uns vom Geist leiten, wo unser Weg im Dienst des Reiches Gottes durch gehen kann, und schauen wir mit dem und auf die Herzen, wenn wir gemeinsam Lösungen suchen.

Verbunden in der heiligen Ruach mit Jesus, dem Christus
grüsse ich Dich respektvoll und freundschaftlich

Thierry Moosbrugger
Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit der RKK Basel\land